Max von der Grün – Werkausgabe Band III
Eine Reise in die Vergangenheit. Ein Mann auf der Suche nach Wahrheit – mit
einer bitteren Konsequenz.
Paul Pospischiel ist in der Schaltzentrale eines Dortmunder Kraftwerkes
tätig. Er muss nicht mehr unter Tage schuften und ist ein gefragter
Spezialist. Eines Tages erreicht ihn ein Brief seiner Mutter, der einen
schwerwiegenden Konflikt auslöst. Sie hat den Mann entdeckt, der vor
Jahrzehnten den Vater von Pospischiel ins KZ brachte. Die Mutter verlangt
Rechenschaft von diesem Mann und Pospischiel soll ihn zur Rede stellen. Aber
als er Sonderurlaub beantragt, bekommt er diesen nicht genehmigt. So fährt
Pospischiel auf eigene Verantwortung. Als er zurückkehrt, findet er die
Kündigung vor. Doch nicht nur das führt dazu, dass Pospischiel an seinem
bisherigen Leben zu zweifeln beginnt ...
»Der freiheitliche Raum des Menschen beginnt nicht um 17 Uhr und endet nicht
morgens um sieben. Die Arbeit selbst muss frei sein – und man antworte
nicht, jeder könne sich seine Arbeit suchen, wo er wolle. Eine ziemlich
trübe Erkenntnis. Leider. Und ein guter Roman.«
Heinz Ludwig Arnold, Frankfurter Rundschau
Der Band enthält zusätzlich die Texte »Mittelalter«, »Im Tal des Todes« und
»Wer steuert wen? Automation und Mensch«.
Zwei Briefe an Pospischiel
Roman, (BAND III)
Herausgegeben von Günther Butkus
Mit einem Nachwort von Wolfgang Delseit
Hardcover mit Schutzumschlag
368 Seiten, Euro 22,90, 978-3-86532-122-0
Pendragon Verlag, März 2009
Leseprobe:
[...] Ich sah vom Brief hoch, erst auf Gerda, wie sie teilnahmslos im Sessel vor sich hin starrte, dann auf meine Tochter. Lissi, das sah ich deutlich, bezwang nur mit Mühe das Lachen, lachte dann aber lauthals los, sie bog sich buchstäblich vor Lachen, der Hund schreckte hoch, bellte einmal, da sprang Gerda auf, klatschte Lissi eine Ohrfeige und ich erschrak, denn Gerda hatte unsere Tochter noch nie geohrfeigt.
»Geh zu Bett«, herrschte sie Lissi an.
Lissi ging, aber ich hörte sie noch in ihrem Zimmer lachen, lange. Gerda sah wütend zur Tür.
»Meine Mutter, mein Gott«, sagte ich, »kann die aber lange Briefe schreiben.« Ich trat zum Fenster, der Mercedesstern oben am Ruhrschnellweg drehte sich, in zehn Sekunden einmal um seine Achse, blaues Licht; grellweiß der rotierende Scheinwerfer auf dem Fernsehturm, sein Licht huschte für wenige Sekunden über unsere Siedlung.
»Das ist ja wohl ein Ding«, sagte Gerda. »Was willst du jetzt machen?«
Ich zuckte die Achseln. Was kann man denn schon machen, heutzutage, nach so viel Jahren.
»Wie viele Jahre sind das eigentlich, Paul?« Sie begann zu rechnen. »Achtunddreißig war das, nicht? Da warst du zwölf. Achtundvierzig, achtundfünfzig, achtundsechzig weniger eins, da sind also neunundzwanzig Jahre vergangen. Mein Gott, wie die Zeit vergeht.«
»Es ist alles lange her; also sei vernünftig, Gerda.«
»Ich geh schlafen«, sagte sie nach einer Weile. »Aber ich weiß nicht recht, Paul, vielleicht lässt sich da was machen.«
Ich blieb im Wohnzimmer sitzen, ich hatte Zeit, brauchte morgen erst zur Mittagsschicht ins Werk. Ich ließ den Hund, der aus Lissis Zimmer geschlichen kam, noch einmal in den Garten. [...]